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Teil 8 – Das Geheimnis der Schlaraffia

Lesezeit: 6 Minuten

Hier lesen Sie den achten Teil unserer HISTORY-Reihe „Ist das Gründungsdatum der Schlaraffia möglicherweise eine Fälschung?“. Der erste Teil startete am 12. August 2018. Um ganz sicher zu gehen, dass Sie keinen Teil verpassen, empfehlen wir Ihnen das kostenlose Abonnement durch Klick auf die gelbe Schaltfläche am Seitenanfang bzw. -ende dieses Artikels. Sie erhalten dann automatisch eine Benachrichtigung zugestellt.

[su_spacer size="35"][su_heading size="18"]Das Geheimnis der Schlaraffia[/su_heading]

In diesem Teil werde ich das „Geheimnis der Schlaraffia“ lüften. Es ist die fünfte Gründungsversion, die ich in meinen Recherchen fand. Die nachfolgende Geschichte ist aus meiner Sicht die spannendste. Dazu sollte sie zwischen den Zeilen gelesen werden. Sie sagt viel über eine Zeit aus, die gerne ausgeblendet wird und doch existierte. Es ist die Zeit, die Deutschland prägte und in vielen Köpfen, bis heute, weiter existiert.

Es ist unbestritten, dass die Schlaraffen immer wieder als „Geheimbund“ bezeichnet und mit „Freimaurern“ in Beziehung gesetzt werden. Das Internet führt dazu viele Fundstellen auf, die ein jeder googeln kann. Ich stieß stets auf solche Funde und habe sie benannt. Doch jetzt gebe ich unkommentiert einen Zeitungsartikel vom 16. September 193586 wieder:

Vor wenigen Tagen brachte das „Prager Tagblatt“87 die Meldung, dass die päpstliche Verwaltungsbehörde im Vatikan in einer Vollsitzung am 22. Mai d. J. den Beschluss gefasst habe, den Katholiken zu empfehlen, der im Jahre 1859 in Prag gegründeten „Schlaraffia“ nicht mehr als Mitglieder anzugehören. Dieser Beschluß soll darauf zurückzuführen sein, daß führende Mitglieder der „Schlaraffia“ fast in der ganzen Welt auch Führer in den Freimaurerlogen seien. Damit ist die Geschichte der „Schlaraffia“ wieder in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses gerückt. Seit dem Hitlerregime in Deutschland gab es auch in den Kreisen der deutschen „Schlaraffia“ heftige Kämpfe. Die Einführung des Arierparagraphen in Deutschland und der Versuch, ihn auch in anderen Ländern einzuführen, hat sogar zu einer Konferenz der Schlaraffiaführer in Karlsbad geführt. Bei dieser Konferenz wurde die Einführung des Arierparagraphen abgelehnt. Professor Heinrich Glücksmann88 89, das älteste Mitglied der Wiener „Schlaraffia“, erklärt unserem Mitarbeiter die bis nun geheimgehaltene Geschichte der „Schlaraffia“, die wir ohne jede Stellungnahme weitergeben.

Erklärung des ältesten Wiener Schlaraffen

„Interessant ist“, so sagt Professor Glücksmann, „schon die Gründungsgeschichte. In Prag bestanden um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zahlreiche getarnte Freimaurerzirkel. Der damalige Kapellmeister des Deutschen Landestheaters, Wilhelm Jahn90, der spätere Wiener Opernkapellmeister, hatte die Sehnsucht, Freimaurer zu werden, wurde aber von der Dresdner Loge als zu „lebenslustig“ abgelehnt. Da versuchten seine Freunde ihn durch die Gründung der „Schlaraffia“ zu trösten. Am 10. Oktober 1859, am hundersten Geburtstage Schillers, konstituierte sich die „Schlaraffia“ in Prag. Ihr Anfang war, wenn nicht Parodie, so wenigstens eine Übersetzung der Freimaurerei ins heitere.

Eine der ersten Oberschlaraffen von Prag, der spätere Burgschauspieler Hallenstein91, gründete am 2. Dezember 1880 das Wiener Schlaraffenreich Vindobona92, dem neben Mitterwurzer93, Tyrolt94 und dem noch heute lebenden Rudolf Leyrer95 auch Alexander Girardi96 angehörte. Zahlreiche Persönlichkeiten der Kunst, der Politik besuchten als „Pilger“ die Veranstaltungen der Vindobona.

Neben Lehar97, dem Ritter „Tonreich der Notendrucker“, neben Philipp Zeska98, der bei seinem zweiten Wiedereintritt in die Schlaraffia den Namen „Pingk, Pingk, da bin ich wieder“, neben Heinirch Glücksmann, „Ritter Abdul Aha, der Pegasüße“, waren der ehemalige Polizeipräsident Brandl99, genannt „Ritter Zynikus, der hermadaistische Hundling“, der langjährige Concordialeiter Edgar von Spiegel100 und Max Ritter von Höhn101, der Leiter des Kriegsarchivs, zu sehen. Auch Dr. Heinrich Dobrozemsky, damals königlich-ungarischer Feldsuperior, jetzt katholischer Bischof, gehörte seinerzeit der Vindobona an.

Auch heute weißt die „Regierung“ des Schlaraffenreyches Vindobona - der allzu großen Anhängerzahl wegen, wurde die rein äußerlich in eine Mittwoch- und Donnerstaggruppe, kurz Mi- und Doreich genannt, getrennt - klangvolle Namen auf. Max Ritter von Höhn, Ministerialrat am Obersten Rechnungshof Ludwig Heiny, die rechte Hand des ehemaligen Ministerpräsidenten Beck, Präsident des Marineverbandes Linienschiffskapitän i. R. Bruno Dietrich.

Mit dem Hitler-Regime in Deutschland kam für die deutschen Schlaraffen eine schwere Zeit. Man zwang sie den Arierparagraphen in die Satzung aufzunehmen. Erschütternde Szenen spielten sich ab. Die Breslauer „Regierung“ der Schlaraffia beispielsweise bestand aus drei Juden. Die deutschen Juden, die der Schlaraffia angehörten, erklärten, freiwillig austreten zu wollen, um dem Verein keine Schwierigkeiten zu bereiten.

Auch in Böhmen und in den sudetendeutschen Städten, ja, selbst in der Steiermark und in Niederösterreich machte sich der Nazieinfluß geltend.

Sogar in Wien machte eine kleine Gruppe der Schlaraffia den Vorschlag, den Arierparagraphen einzuführen. Nur sollte das, konziliant wie die Austronazi damals noch waren, in der Form einer Aufnahmesperre für Juden geschehen. Der Vorstoß wurde abgeschlagen, die Nazi aus der Schlaraffia ausgeschlossen.

Diese Frage der Einführung des Arierparagraphen wurde dann noch in einer gemeinsamen Konferenz der Schlaraffenführer in Karlsbad erörtert. Als Wiener Vertreter war der seither verstorbene Oberschlaraffe Oberstleutnant Regierungsrat Friedrich Kollarz102 bei der konferenz anwesend. Die Tagung endete mit dem Beschluß: „Der Arierparagraph widerspricht den Schlaraffenidealen.“

Die politische Umstellung der sudetendeutschen Schlaraffiaverbände hat scheinbar zu dem Erlaß des Vatikans geführt, der uns in Wien offiziell noch nicht zur Kenntnis gebracht wurde.

Dieser Zeitungsbericht der Wiener Tageszeitung „Der Morgen“103 aus dem Jahre 1935, den ich im Original unterhalb verlikt habe, hat es in sich. Wie wahrhaft sind die Zeilen anzusehen? Unterscheiden sie sich doch ganz von meinen bisherigen Funden. Sind Fehler enthalten, die leicht zu widerlegen sind?


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„Wie wahr ist die Wahrheit und wie dürfen wir sie werten?“

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Pragabuch News

[su_spacer size="30"]———————————————
86 „Der Morgen“ vom 16. September 1935, Nr. 37, Seite 2, mittlere Spalte „Das Geheimnis der Schlaraffia“
87 „Linzer Volksblatt“ vom 14. September 1935, Nr. 213, Seite 8, linke Spalte „Kirche gegen Schlaraffia“
88 https://en.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Gl%C3%BCcksmann
89 https://freimaurer-wiki.de/index.php/Heinrich_Gl%C3%BCcksmann
90  https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Jahn_(Musiker)
91 https://de.wikipedia.org/wiki/Konrad_Adolf_Hallenstein
92 Stammrolle Allschlaraffia a.U. 156/157, Seite 92 der digitalisierten Version, Seite 68 der Druckausgabe, 24. Vindobona (Wien), Weiß-rot 2.12.21, Praga
93 https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Mitterwurzer
94 https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Tyrolt
95 https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Leyrer
96 https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Girardi
97 https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Leh%C3%A1r
98 Tatsächlich war es Carl von Zeska und nicht „Philipp Zeska“, https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_von_Zeska
99 https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Brandl_(Polizeipr%C3%A4sident)
100 Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 322 (Seite 307 der Druckausgabe)
101 https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_von_Hoen
102 https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Kollarz
103 http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=dmo&datum=19350916&seite=2&zoom=33

Ein Gedanke zu „Teil 8 – Das Geheimnis der Schlaraffia

  1. Dr. Hans Christ

    Jedesmal, wenn ich auf diesen verdammten Arierparagraphen stoße, sei es u.a. in studentischen Verbindungen oder, wie diesfalls, in der Schlaraffia, überkommt mich Bitterkeit gemischt mit Wut! Da ich selbst Mitglied einer akademischen Burschenschaft bin, weiß ich um die damaligeTragik der freiwilligen Selbstaustritte, um der liebgewonnenen Gemeinschaft Konsequenzen seitens des Verbrecherregimes zu ersparen.
    Ich bin zwar noch kein Schlaraffe, mein Beruf in einer uhufinsteren Gegend verhindert das, werde aber nach meiner, ruhestandsbedingten, Rückkehr in meine Heimatstadt Wien dem Reych Vindobona beitreten. Diesbezügliche Kontakte habe ich schon geknüft. Dem unwiederbringlichen Verlust an Menschen humanitärer Gesinnung aus niederen rassischen Gründen ein donnerndes Ulul!

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